Geringverdiener sprechen nicht über Geld

Über Geld zu sprechen ist besonders in der Schweiz ein Taboo. Allerdings möchte ich dir hier aufzeigen, warum ich einen Austausch über Finanzen präferiere.

Als ich noch ein kleiner Bub war und meine Grossmutter mir stolz ihr Generalabo für den öffentlichen Verkehr gezeigt hatte, stellte ich ihr die Frage, was den das gekostet habe. Als Antwort bekam ich den folgenden Satz zu hören:

Das fragt man nicht, das ist unhöflich!

Die Grossmutter

Schon damals konnte ich diese Haltung nicht verstehen. Ich war wohl ein wirklich sehr neugieriger Junge, jedoch konnte ich mir einen Reim darauf machen, warum das nun unhöflich sein sollte. War ja eine ganz normale Frage. Für mich war das jedoch ein prägendes Erlebnis, denn ich war zu diesem Zeitpunkt wirklich noch sehr jung. An andere Erinnerungen anhand von Fotos aus dieser Zeit kann ich mich hingegen nicht mehr erinnern.

Auch im Bekanntenkreis und bei Kollegen habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht. Zwar sagen die nicht so direkt etwas dagegen, allerdings kann man an der Reaktion sehen, dass sie nicht darüber sprechen möchten. Die Einen wechseln rasch das Thema, Andere wiederum erklären kurz und knapp, dass dank den Kindern nicht mehr viel übrig bleibe. Das Thema ist danach aber für beide beendet.

Aber ist das wirklich sinnvoll? Wie kann es sein, dass wir offen über tödliche Krankheiten sprechen, die Finanzen des Anderen aber Taboo sind? Für meinen Teil sehe ich ausserden auch individuelle Nachteile, wenn wir nicht über Geld sprechen.

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Auch der Finanzrocker hatte dieses Thema mit einer Hörerin diskutiert. Fragen wie «Wie viel hat dein Rucksack gekostet?» wären bei uns im Smalltalk unvorstellbar. Die wirklich spannende Diskussion kannst du beim Finanzrocker nachhören.

Hörer-Interview zum Thema Geld und Gesellschaft

Fehlende finanzielle Bildung

In der Grundschule habe ich im Fach Mathematik Schätzen und den Zinseszins gelernt auszurechnen. Jedoch konnte mir keiner sagen, für was zum Henker ich dieses Wissen überhaupt gebrauchen kann. Das Thema Börse oder Kapitalanlage kam dabei überahubt nie zum Zug. Dabei wäre die finanzielle Bildung enorm wichtig, da immer noch viele Leute ihr Erspartes auf dem Sparkonto zu 0.01% lagern. Zudem ist die Inflationsrate, also der reale Kaufkraftverlust, pro Jahr um einiges höher. Viele verlieren also tatsächlich damit Geld, in dem sie einfach nichts tun. In diesem Beitrag habe ich erklärt, welche Massnahmen ich dagegen getroffen habe. Ich bin der Meinung, dass dieses Thema in jede Schulklasse gehört und auf die gleiche Stufe mit Religion, Geschichte und Fremdsprachen gestellt werden muss.

Ausserdem verhindert das Fehlen einer finanziellen Bildung das Aufbauen des Vertrauens in die Kapitalmärkte und Börse. Zusammen mit den Schreckensnachrichten, in denen Menschen all ihr Erspartes mit einer Aktie verloren haben, hat dies den Effekt, dass die Wenigsten in Aktien investieren. Sie vertrauen lieber einem staatlichen Vorsorgesystem, das über ein Umlageverfahren finanziert wird. Wenn man sich die Statistik der demografischen Veränderung jedoch ansieht, kann jeder Leihe rasch erkennen, dass die Jungen nicht mehr lange die Senioren finanzieren können.

Siehst du die wandernde Masse? Bist du auch meiner Meinung?

Übrigens: Wer sein ganzes Geld mit einer Aktie verliert, hat zu wenig diversifiziert. Das ist nicht die Schuld des Marktes, der Börse oder gar der elitären Politik, sondern die des Anlegers, der sein Klumpenrisiko nicht auflöste. In den Medien wird aber oft das Gegenteil suggeriert, ohne dies direkt auszusprechen. In der folgenden Dokumentation des Bayrischen Rundfunks (BR) über den Wirecard Skandal wird gezeigt, was da genau geschehen ist. Dabei kommt auch ein Anleger, ein Rentner, zu Wort der fast sein ganzes Geld (€ 70’000.-) in Wirecard investierte.

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Da er nun alles verloren hatte, zwingt ihn dieser Umstand, auch während seiner Rente wieder zu arbeiten. Dabei wird jedoch nicht über das Risiko aufgeklärt und schon gar nicht die Handlungen des Anlegers hinterfragt. Stattdessen kritisiert der Anleger das Versagen der Deutschen Politik und der BaFin. Der Sender lässt diese Aussage dabei unkommentiert, was einer Zustimmung entspricht. Dies fördert aus meiner Sicht den schlechten Ruf der Kapitalmärkte und verhindert aktiv Investitionen von Privatanlegern. Versteh mich bitte nicht falsch. Im Fall Wirecard haben die genannten Akteure sicherlich grobe Fehler gemacht. Eine solche Aussage darf aber trotzdem nicht im Raum stehen gelassen werden.

Es werden immer die gleichen Fehler gemacht

Ein weiterer Nachteil kann man aus meiner Sicht erst beim näheren Hinsehen erkennen. Angenommen du hast CHF 20’000.- geerbt oder vorrätig und hast mal von der Inflation gehört. Du möchtest also eine risikoarme Methode finden, die dein Vermögen zumindest erhält. Was tust du nun?

Die Meisten von uns werden wohl als Erstes den Bankberater kontaktieren. Das ist an sich auch nicht verwerflich, er sollte ja der Experte bei diesem Thema sein. Nach eurem Gespräch hast du einen Fund gekauft, der 1.8% pro Jahr an Gebühren kostet, eine Performancegebühr von 10% berechnet und beim Kauf bezahlst du noch einen Ausgabeaufschlag von 3% (Annahmen). Nach einigen Jahren merkst du, dass die Gebühren dir dein Fleisch von den Knochen frisst. Du möchstest aussteigen. Erst jetzt merkst du, dass du eine Mindestvertragslaufzeit unterschrieben hast, aus der du im Moment nicht heraus kommst.

Wirst du deinen Verwandten, Kollegen und Freunden von dieser Erfahrung erzählen? Wohl eher nicht, da du befürchtest, Sätze wie «Ich hab’s dir doch gesagt» und «Ich sagte ja, dass das Kriminelle sind» um die Ohren gehauen zu bekommen. Du wirst wohl nicht mehr so schnell in ein Finanzprodukt investieren. Das wäre jedoch wirklich schade. Denn durch eine falsche Beratung, die über eine Provision finanziert wurde, hast du eine schlechte Erfahrung gemacht. Du solltest dich aber davon nicht abschrecken lassen, sondern dich beim nächsten mal selbst um deine Finanzen kümmern. Anders gesagt: Du hörst auch nicht auf Auto zu fahren, nur weil du ein Gebrauchtwagen mit verstecktem Motorschaden gekauft hast.

Fehlender Austausch führt zu Verwirrung und Desinformation

Bei Diskussionen mit Kollegen fällt mir immer wieder auf, dass teilweise nicht einmal die Basics der Finanzwelt vorhanden sind. Ich selbst würde mich zwar auch als Anfänger betiteln, jedoch gehe ich mit einer positiven Grundhaltung an das Thema heran. Ich weiss zwar nicht alles, durch mein positives Mindset kann ich mir das Wissen aber erarbeiten.

Ein Diskussionpunkt ist dabei die selbstgenutzte Immobilie. Da wird oft behauptet, dass Kaufen immer günstiger sei als Mieten. Finanztipp zeigt im folgenden Ratgeber auf, dass dies nicht immer so sein muss, wenn der Mieter fleissig in den Kapitalmarkt investiert. Auch der Finanzrocker und einige seiner Gäste sind der Ansicht, dass eine eigene Immobilie eine Lifestyleentscheidung und keine Geldanlage ist. Dies wäre erst bei einer Immobilie der Fall, die an Dritte vermietet wird. Allerdings kommt hierbei dann aber auch das Klumpenrisiko zum Tragen.

Indem nicht über Aktien gesprochen wird, bekommen wir oft nur die Geschichten aus den Medien mit. Ausserdem höre ich oft das Argument, dass kein Geld zum «Zocken» vorrätig ist. Eine weitere Desinformation. Mit einem langfristigen Anlagehorizont (15+ Jahre) handelt es sich bei einem Aktienkauf nicht mehr um eine Spekulation, sondern um ein Investment. Die Anlagedauer ist also für die Begriffsdefinition verantwortlich. Oft wird jedoch die Spekulation mit einer Aktie gleichgesetzt. Da fehlt oft das Know-how in dem Bereich. Es ist wohl korrekt, dass mit Produkten wie CFDs oder Optionen spekuliert wird, jedoch sind dies ganz andere Produkte als Aktien. Während ein CFD hochriskant ist, trägt man bei den Aktien und Indexfunds, die langfristig gehalten werden, ein absehbares Risiko.

Was muss sich ändern?

Das Thema der finanziellen Bildung ist aus meiner Sicht nicht nur in den Schulen ein Problem. Auch in unserer Gesellschaft wird sehr wenig über Geld, Investitionen und Vermögen gesprochen. Jeder kann seinem Kollegen erklären (und tut dies auch unaufgefordert), was genau im letzten Service an seinem ach doch so tollem Auto repariert werden musste, damit dieses wieder durch die MFK (Motorfahrzeug Kontrolle, eine Art Schweizerischer TÜV) kommt. Da wird kein Detail ausgelassen. Wenn es aber um den Lohn, die Miete oder das Investment geht, dann bekommt man oft eine komische Reaktion mit. Dabei gäbe es von Anderen so viel zu lernen. Eventuell hat einer deiner Kollegen einen anderen spannenden Ansatz oder du erfährst so von einer Asset-Klasse, die du bisher nicht auf dem Schirm hattest.

Mein Appell: Sprecht genau so über Finanzthemen wie ihr auch über jedes andere Thema mit euren Kollegen sprecht. Habt keine Angst vor Neidern; die erkennt man schnell und können umgangen werden. Vielleicht erfährst du aber von einer Person etwas Neues, von der du dies nie erwartet hättest. Tausch dich mit deinem Partner aus, erkläre ihm was und wieso du etwas tust. Jeder macht sich über die Finanzen so seine Gedanken, jedoch spricht keiner darüber. Und das ist weder für dich, noch für unsere Gesellschaft von Vorteil.

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